Kündigungsverbot bei Schwangeren gilt schon vor Arbeitsaufnahme
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt oder sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden ist. Eine Kündigung unter Verstoß gegen dieses Verbot ist gem. § 134 BGB nichtig (zu § 9 MuSchG aF zuletzt BAG 26. März 2015 – 2 AZR 237/14 – Rn. 10, BAGE 151, 189).
Wie aber ist die Rechtslage, wenn die Schwangere zwar einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, aber dieser noch nicht begonnen hat, die Arbeit also noch nicht aufgenommen wurde?
Zweck des Kündigungsverbotes
Der Fall, der im Februar 2020 vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde, schafft Klarheit.Das Gericht hat in diesem Fall zunächst festgestellt, dass der mit dem Kündigungsverbot bezweckte Gesundheits- und Existenzsicherungsschutz nur dann zu gewährleisten ist, wenn die Kündigung eines Arbeitsvertrags unabhängig davon unzulässig ist, ob die Tätigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden soll.
Keine unzulässige Beschränkung der unternehmerischen Freiheit
Der Argumentation des Arbeitgebers, dass eine Kündigung einer Schwangeren vor Arbeitsaufnahme zulässig sein müsse, weil ein Kündigungsverbot in dieser Konstellation zu einem unzulässigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers führen würde, wollte das Bundesarbeitsgericht nicht folgen.
Es entschied vielmehr, dass die Beschränkung der unternehmerischen Freiheit der Arbeitgeber durch das Kündigungsverbot geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sei, um den Schutz von Schwangeren und Müttern nach der Entbindung am Arbeitsplatz sicherzustellen.
Das Gericht argumentiert, dass Art. 6 Abs. 4 GG Schwangeren und Müttern nach der Entbindung einen Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft gewährt. Dies gebietet auch einen wirksamen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz. Entgegenstehende Arbeitgeberinteressen müssen demgegenüber weitgehend zurückstehen.
Kündigungsverbot vor Arbeitsaufnahme
Nach dem Normzweck des Kündigungsverbots in § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist für dessen Eingreifen die Bekanntgabe einer bestehenden Schwangerschaft nach Abschluss des Arbeitsvertrags ausreichend. Die Aufnahme der vereinbarten Tätigkeit ist hierfür nicht erforderlich.
Wenn also eine Frau z.B. am 07.März einen Arbeitsvertrag unterschreibt, ab dem 01. April für den Arbeitgeber tätig werden soll und am 15. März feststellt, dass sie schwanger ist, kann ihr der Arbeitgeber auch in der Zeit zwischen 15. und 31. März nicht kündigen.
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 27.2.2020, 2 AZR 498/19