Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat eigentlich genau?
Dass der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte hat, weiß man irgendwie. Und dass der Betriebsrat z.B. vor einer Kündigung angehört werden muss, wissen die Meisten auch.
Aber welche Rechte auf Mitbestimmung der Betriebsrat genau hat, wissen dann schon nur noch die Spezialisten. Dabei sind die Rechte des Betriebsrat gar kein Mysterium, im Gegenteil, sie sind klar formuliert, artikuliert und ganz leicht zu finden.
Das Betriebsverfassungsgesetz enthält nämlich nahezu alle Beteiligungsrechte des Betriebsrates. Wer es also genau wissen will oder muss, der sollte sich dringend einen Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz zulegen.
Wer sich einen ersten Überblick verschaffen will, kann sich die Grundlagen nachstehend anlesen.
Die Mitbestimmungsrechte lassen sich in 4 Gruppen unterteilen.
- soziale Angelegenheiten (z.B. Betriebsordnung, Lage der Arbeitszeit und Pausen, Errichtung von Kantinen, Betriebskindergärten, Unterstützungskassen etc.) Dies ist in § 87 BetrVG geregelt.
Mitbestimmung über Arbeitsplätze (z.B. muss der Betriebsrat informiert werden, wenn Umstrukturierungen vorgenommen werden und hat ein Mitbestimmungsrecht, wenn Arbeitnehmer dadurch besonders belastet werden.) Regelungen dazu finden sich in §§ 90, 91, BetrVG - personelle Angelegenheiten (z.B. Aufstellung von Auswahlrichtlinien, Personalfragebögen, Regelungen über Stellenausschreibung, Mitbestimmung bei Versetzung, Umsetzung, Eingruppierung etc.) Regelungen dazu sind in den §§ 92 bis 105 BetrVG zu finden.
- wirtschaftliche Angelegenheiten (z.B. Betriebsänderung, Sozialplan und Interessenausgleich) Regelungen dazu sind in §§ 111 bis 113 BetrVG zu finden.
Bei jeder Handlung des Arbeitgebers ist daher zu prüfen, ob der Betriebsrat wenigsten informiert und unterrichtet werden muss oder ob darüber hinaus auch seine Zustimmung erforderlich ist. - sogenannte Initiativrechte, bei denen er selbst auf den Arbeitgeber zugehen kann und eine Regelung erzwingen kann, wie dies zum Beispiel bei der Aufstellung eines Sozialplanes der Fall ist.
Die Rechte des Betriebsrates sind dabei unterschiedlich stark ausgeprägt.
Die Unterrichtungs- und Informationspflichten sind die am wenigsten ausgeprägten Rechte des Betriebsrates. Der Betriebsrat hat auf die Entscheidung des Arbeitgebers keinen Einfluss, muss über Maßnahmen lediglich informiert bzw. unterrichtet werden. Unterrichtungs- und Informationspflichten gewähren also lediglich Einblicke in das Handeln des Arbeitgebers.
Eine Stufe höher sind die Anhörungsrechte des Betriebsrates anzusiedeln. Hier muss der Arbeitgeber die Meinung des Betriebsrates zur Kenntnis nehmen und sich mit den Anregungen und Einwänden des Betriebsrates auseinandersetzen. Das letzte und zunächst auch einzige Wort hat aber auch hier der Arbeitgeber. Er entscheidet allein, aber wenn er den Betriebsrat vorher nicht angehört hat, ist seine Maßnahme formal unwirksam. Das ist besonders bei einer Kündigung von großer Relevanz, weil die Kündigung regelmäßig unwirksam ist, wenn der Betriebsrat zuvor nicht „angehört“ wurde, § 102 Abs. 1 – Anhörung vor einer Kündigung.
Richtig in seinem Element ist der Betriebsrat in den Fällen, in denen ihm Beratungsrechte zustehen. Hier muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat den Verhandlungsgegenstand gemeinsam erörtern. Aber auch hier bleibt das Entscheidungsrecht beim Arbeitgeber.
Beratungsrechte sind in diesen Vorschriften des BetrVG geregelt:
§ 89 – Beratung und Hinzuziehung des Betriebsrates bei Fragen des Arbeits- und Umweltschutzes
§ 90 Abs. 2 – Beratung mit dem Betriebsrat bei der Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von jeglichen betrieblichen Räumen, der Planung von technischen Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen
§ 92 Abs. 1 Satz 2 – Personalplanung – Beratung des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten
§ 96 Abs. 1 Satz 2 – Fragen der Berufsbildung müssen mit dem Betriebsrat auch beraten werden
§ 97 – Beratung mit dem Betriebsrat über die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Berufsbildung, Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und Teilnahmen an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen
§ 106 Abs. 1 – Wirtschaftsausschuss wird allein vom Betriebsrat gebildet und ist dessen Hilfsorgan; Arbeitgeber muss sich mit dem Wirtschaftsausschuss beraten
§ 111 Satz 1 – Beratung mit dem Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen
Bei den Widerspruchs- und Vetorechten schließlich gestaltet der Betriebsrat die konkreten oder auch weiteren Abläufe mit.
Die 3 explizit formulierten Widerspruchs- und Vetorechte sind:
§ 98 Abs. 2 – Widerspruchsmöglichkeit des Betriebsrates bei der Bestellung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsausbildung beauftragten Person
§ 99 Abs. 2 – Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates bei personellen Einzelmaßnahmen
§ 102 Abs. 3 – Widerspruch gegen die Kündigung eines Mitarbeiters.
Außerdem kann der Betriebsrat die Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen verweigern, §§ 99 bis 101 BetrVG. Wenn der Betriebsrat hier seine Zustimmung verweigert, kann diese Zustimmung nur durch einen gerichtlichen Beschluss ersetzt werden.
Tatsächlich gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber ist der Betriebsrat bei den eigentlichen Mitbestimmungsrechten. Hier kann die Zustimmung nicht ersetzt werden. Wenn keine Einigung zustande kommt, muss eine sogenannte Einigungsstelle eingerichtet werden.
Wichtige Vorschriften für diese Mitbestimmung im engeren Sinne sind folgende Regelungen des BetrVG:
§ 87 – Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
§§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 – Personalfragebogen und Auswahlrichtlinien
§ 97 Abs. 2 – Einrichtungen und Maßnahmen zur Berufsbildung
§ 98 – Betriebliche Bildungsmaßnahmen
§ 112 – Interessenausgleich
Als letztes gibt es noch das Initiativrechte des Betriebsrates bei dem der Betriebsrat selbst aktiv wird und Vorschläge macht.
Zunächst gibt es die Vorschlagsrechte (z.B. § 92 BetrVG), bei denen sich der Arbeitgeber mit den Vorschlägen des Betriebsrates zwar auseinandersetzen muss aber dennoch entscheiden kann, wie er will.
Bei der Beschäftigungssicherung und –förderung (§ 92 a BetrVG) muss sich der Arbeitgeber nicht nur mit dem Betriebsrat beraten. Er muss eine Ablehnung auch begründen.
Im Bereich der echten Mitbestimmung kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber auch eine Entscheidung verlangen und ggf. erzwingen durch eine Einigungsstelle z.B. § 95 (Festlegung von Auswahlrichtlinien), und § 87 BetrVG.
§ 87 BetrVG Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4. Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9. Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Außerdem können sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf Betriebsvereinbarungen einigen.
Die Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).
Betriebsvereinbarungen gelten räumlich in dem Betrieb, für den sie abgeschlossen wurden und für die dort arbeitenden Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG.
Jeglicher Bereich des betrieblichen Lebens kann durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden. Unterschieden werden muss zwischen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung und einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung.
Bei letzterer hat der Betriebsrat das Recht und die Möglichkeit, die Einigung durch das Einsetzen einer Einigungsstelle zu erzwingen.
Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmungen gelten Betriebsvereinbarungen so lange, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies ergibt sich aus § 77 Abs. 6 BetrVG.
Erzwingbar ist die Mitbestimmung, wenn in der entsprechenden Vorschrift im BetrVG die Bestimmung getroffen wird, dass bei Uneinigkeit zwischen den Betriebsparteien die Einigungsstelle mit bindender Wirkung entscheidet. Der Wortlaut ist dabei immer gleich: „Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.“ Diese Formulierung verweist auf die Verfahrensvorschrift in § 76 Abs. 5 BetrVG. Darin wird bestimmt, dass die Einigungsstelle im Falle der Erzwingbarkeit von nur einer Betriebspartei einberufen werden kann und auch ohne die andere entscheidet, wenn die sich dem Verfahren entziehen will.