Auch wer seinen Chef als „Wichser“ bezeichnet kann nicht ohne Abmahnung entlassen werden
Ein Angestellter hat seinem Vorgesetzten gegenüber seinen Unmut lautstark und mit wenig Taktgefühl kundgetan.
Mit den Worten: „Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an.“ schmiss ein Angestellter den Hörer einer internen Telefonanlage auf und sagte anschließend im Beisein von Mitarbeiterinnen der Beklagten sowie einer Servicekraft der Firma T. einen Satz, der wiederum mit dem Begriff „Wichser“ begann.
Der unhöfliche Mitarbeiter erhielt daraufhin die Kündigung. Zu Unrecht meinte das Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz. Unter dem 18.08.2011 (Az: 2 Sa 232/11) vertrat das Gericht die Auffassung, dass auch bei grober Beleidigung eines Vorgesetzten eine vorherige Abmahnung erforderlich sei, wenn zu erwarten ist, dass die Abmahnung ihre Wirkung auf den Mitarbeiter nicht verfehlt und sich ein solcher oder ein vergleichbarer Vorfall nicht wiederholen werde. Das gelte auch bei üblen Beschimpfungen.
Das Gericht erklärte, dass die außerordentliche Kündigung aufgrund der konkreten Umstände nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerechtfertigt war. Das Gericht erklärte:
Selbst wenn die Erforderlichkeit der Kündigung in Bezug auf die notwendige vorherige Abmahnung anders bewertet werde, sei jedenfalls bei Abwägen der Interessen der Parteien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die außerordentliche Kündigung als nicht gerechtfertigt anzusehen. Die Interessen des Klägers an dem Erhalt des Arbeitsplatzes würden das Interesse der Beklagten an dessen Auflösung überwiegen. Einerseits sei die Schwere der Verletzung, deren Folgen für den Arbeitgeber, die Betriebsordnung und den Betriebsfrieden, ein evtl. eingetretener Vertrauensverlust sowie die Größe des Verschuldens und der Grad einer bestehenden Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen.
Andererseits sei die Dauer des Arbeitsverhältnisses, Lebensalter und Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung von Bedeutung. Es spiele der betriebliche und branchenübliche Umgangston, der Bildungsgrad und die psychische Befindlichkeit des Arbeitnehmers, die Gesprächssituation, die Ernsthaftigkeit der beleidigenden Äußerung, etwaige Provokationen sowie Ort und Zeitpunkt des Geschehens eine Rolle. In einer Situation, in der der Arbeitnehmer in der Kritik stehe, sei es seine Angst um den Arbeitsplatz und eine damit einhergehende erhöhte Befindlichkeit zu beachten, welche eine Überreaktion erklären könne.
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