Öffentlicher Dienst: Rechte Gesinnung kann Kündigungsgrund sein
Das BAG hat sich aktuell mit einem solchen Fall befassen müssen.
Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ein bestimmtes Maß an Verfassungstreue aufbringen müssen. Welchen Anforderungen sie insoweit unterliegen, richtet sich nach ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit und der Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers. Mitgliedschaft in und Aktivitäten für die NPD oder ihre Jugendorganisation (JN) stehen regelmäßig nicht schon als solche einer Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst entgegen, selbst wenn man die Verfassungsfeindlichkeit der Organisationen – nicht ihre nur vom Bundesverfassungsgericht festzustellende Verfassungswidrigkeit – unterstellt.
Allerdings dürfen auch Beschäftigte, die keiner „gesteigerten“, beamtenähnlichen Loyalitätspflicht unterliegen, nicht darauf ausgehen, den Staat oder die Verfassung und deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Entfaltet ein Arbeitnehmer – und sei es nur außerdienstlich – Aktivitäten dieser Art, kann dies ein Grund für eine Kündigung durch seinen Arbeitgeber auch dann sein, wenn das Verhalten nicht strafbar ist.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, die die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für wirksam erachtet haben. Der Kläger ist Mitglied der NPD und war seit dem Jahr 2003 in der Finanzverwaltung des beklagten Landes tätig. Er war in einem Versandzentrum für die Planung, Steuerung und Überwachung von Druckaufträgen zuständig. Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte er Zugriff auf personenbezogene, dem Steuergeheimnis unterliegende Daten der Steuerpflichtigen. In seiner Freizeit verbreitete er mittels elektronischer „Newsletter“ Informationen zu Treffen und Veranstaltungen eines NPD-Kreisverbands und der JN sowie Rundbriefe verschiedener Art.
Im Jahr 2009 verschickte er einen Aufruf zur Teilnahme an einer Demonstration in Halle/Saale. Unter der Überschrift „17. Juni – Ein Volk steht auf und kämpft sich frei – Zeit einen neuen Aufstand zu wagen!“ heißt es darin, auch die „BRD“ könnte „Angst davor haben“, das Volk könne sich eines Tages erneut „gegen den Alles über Alles raffenden und volksverratenden Staat erheben“. Falls „die bürgerliche Revolution“ erfolgreich wäre, könne es „gut möglich“ erscheinen, dass „diesmal … Tode nicht bei den Demonstranten, sondern bei den etablierten Meinungsdiktatoren zu verzeichnen (wären). – Dem Volk wär´s recht“. Die Passage endet mit der Aussage: „Hoffen wir mal, die nächste Revolution verläuft erfolgreicher. In diesem Sinne: Volk steh auf, kämpf dich frei!“
Nach dem Gesamtkontext der Äußerungen treten die Verfasser des Demonstrationsaufrufs für einen gewaltsamen Umsturz ein. Eine andere Deutung erscheint nicht möglich. Der Kläger hat sich den Inhalt des Aufrufs zumindest dadurch zu eigen gemacht, das er ihn weiterverbreitete. Sein Vorgehen macht deutlich, dass er das auch ihm abzuverlangende Mindestmaß an Verfassungstreue nicht aufbringt. Die Kündigung ist jedenfalls aus Gründen in seiner Person gerechtfertigt. Grundrechtlich geschützte Rechtspositionen etwa aus Art. 5 GG und Art. 12 GG stehen dem nicht entgegen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 372/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim, Urteil vom 26. Januar 2011 – 19 Sa 67/10 –
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