Aus der Praxis: Wenn Mobbing krank und der Anwalt irgendwie ein bisschen gesund macht
Im Zusammenhang mit Mobbing macht man als Anwalt in der Regel keine beglückende und schon oder gar keine aufmunternde Erfahrung, doch Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. So auch in dem Fall von dem hier berichtet werden soll.
Der Anruf kam kurz vor Feierabend. Die dünne Frauenstimme am anderen Ende der Leitung sagt: „Guten Abend, mein Name ist Sabine K. und ich brauche Ihre Hilfe!“ Wir vereinbarten einen Termin und am nächsten Tag kam die Frau pünktlich in die Kanzlei.
Was da vor mir stand war allerdings mehr ein Häufchen Elend als eine Frau. An der Kleidung, der edlen Laptop-Tasche und der exklusiven Handtasche ließ sich aber ablesen, dass die Frau einen gut dotierten Posten hatte. Dem war auch so. Frau K. war Managerin bei einem börsennotierten Unternehmen. Im Alter von 42 hatte sie es als einzige Frau in die Führungsriege des Unternehmens geschafft.
Alles lief gut, bis sie vor einem Jahr an Grippe erkrankte und 10 Tage zu Hause bleiben musste. Danach war „plötzlich alles anders“ berichtet Frau K. Sie fühlte sich als ob sie „gegen einen geheimen Code“ verstoßen hatte. Kollegen, die vorher freundlich mit ihr sprachen, sich mit ihr regelmäßig fachlich austauschten und sich auch mal mit ihr zum After-work-drink trafen, mieden sie offen.
Häufig wurde sie morgens nicht einmal begrüßt. Am Mittagstisch saß sie allein und in wichtige Entscheidungen wurde sie nicht mehr eingebunden. Gleichzeitig wuchs die Arbeitsbelastung. Ihr wurden immer mehr Aufgaben übertragen, die allerdings überwiegend nicht ihrer Qualifikation entsprachen. Sie arbeitete oft bis spät in die Nacht und wurde nach und nach weniger belastbar. Ihre Nächte blieben oft schlaflos und es ging ihr von Tag zu Tag schlechter. Oft lief sie weinend aus ihrem Büro und brauchte immer länger dafür sich wieder zu beruhigen.
Warum sich die Situation entwickelt hat, lies sich in der Rückschau nicht klären, aber das die Situation für Frau K. extrem belastend war evident.
Frau K. erklärte mir, dass sie nicht mehr ins Unternehmen zurückwolle und könne und dass sie deshalb kündigen müsse. Wir erörterten die juristischen Optionen, allerdings war Frau K. aus meiner Sicht nicht in der Lage eine Entscheidung zu treffen bzw. die Reichweite ihrer Entscheidungen abzuschätzen. Ich riet ihr daher erst einmal dazu sich Zeit zu nehmen und zur Ruhe zu kommen. Sich neu zu sortieren. Sie sei aus meiner Sicht arbeitsunfähig und solle sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben. Die Behandlung in einer psychosomatische Klinik erachtete ich als sinnvoll. Ich versprach ihr, dass ich ihr nach einer Stabilisierung ihrer Situation sehr gerne auch juristischen Beistand leisten würde, ich hierfür aber – in der emotionalen Ausnahmesituation in der sie sich befände – im Moment keinen Raum fände.
Ein halbes Jahr verging. Völlig unerwartet rief Frau K. an und bat um einen Termin. Als sie dann am nächsten Tag kam, war sie nicht wieder zu erkennen. Sie sah frisch aus, wirkte entspannt und hatte nichts mehr von dem Häufchen Elend, dass ich ein halbes Jahr vorher kennengelernt hatte. Sie erklärte, dass sie auf mein Anraten hin in eine Klinik gegangen war, sich neu sortiert habe, ihren Job kündigen wolle und jetzt etwas ganz anderes vorhat. Sie bedankte sich bei mir und meinte, dass ich ihr sehr geholfen hätte. Sie fühle sich nach vielen Jahren endlich wieder gesund und munter.
In der Folgezeit wickelten wir ihr Arbeitsverhältnis ordentlich ab und ermöglichten ihr einen neuen Start. Wieder ein halbes Jahr später erhielt ich einen wunderschönen Blumenstrauß und eine Einladung zur Eröffnung eines Geschäfts. Auf der Karte war handschriftlich vermerkt: „Sie haben mir dabei geholfen wieder gesund zu werden. Vielen Dank.“
Selbst das gemeinhin hart gesottene Anwaltsgemüt war hiervon ehrlich berührt.
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